Köln, 05.02.2016 – Es ist ruhig auf den Straßen. Und dreckig. Es ist Tag 1 nach Weiberfastnacht. Tag 1, nachdem in Köln die ganze Stadt durchgedreht ist.
Ich wage mich aus meinem Versteck, gehe schnell ein paar Dinge erledigen, bevor ich mich wieder schnell und heimlich verbarrikadiere. Ja, ich mag keinen Karneval! Ja, obwohl ich in Köln wohne! Aber ich stamme nicht von hier, von daher bin ich vielleicht etwas entschuldigt. Ich mag es einfach nicht. Dass ich natürlich dann in der falschen Stadt wohne, ist mir klar. Der Großeinkauf wurde am Mittwoch erledigt, nachdem ich letztes Jahr 2x vor einem geschlossenen REWE stand während dieser Tage. Vor nächsten Mittwoch bleibe ich auch verkrochen hier in meiner Höhle. Nur jetzt musste ich zu einem Termin…aber ich habe es überlebt und nur wenige verkleidete „Verrückte“ gesehen. Natürlich habe ich auch schon Karneval gefeiert. Als Kind jedes Jahr. Es war ja fast eine Art Pflicht damals. In meiner Schulzeit dann habe ich mich dann doch eher davon distanziert, bis auf einmal. Aber das bereute ich am frühen Abend sofort, als mir meine Eltern ein Stück trockenes Brot gaben, weil mir so schlecht war. Das schlimme ist ja, man fängt vormittags an, und kommt dann nachmittags so fertig schon wieder nach Hause, dass man dann sobald es Schlafenszeit ist, nüchtern genug ist dass einem auffällt, wie schlecht es einem geht. Wer betrunken nachts nach Hause kommt schläft seelenruhig. Immerhin bekommt man dann Schlaf! Jedenfalls habe ich dann nach dem Abitur an den Karnevalstagen in einer Diskothek gearbeitet. Nüchtern! Naja gut, nicht ganz nüchtern. Aber tagtäglich diese Karnevalsmusik, die ganzen Betrunkenen und Verkleideten nüchtern (!) zu bedienen – das kann keiner von einem verlangen. Und wenn man nüchtern ist fällt einem eine Sache ganz besonders auf: Es laufen immer und immer wieder die selben Lieder! Eins habe ich gezählt: Es war 2011 und die BUGA war in Koblenz. Da dachten sich besonders lustige Leute, es wäre doch toll das „BUGA-Lied“ zu komponieren. Es lief innerhalb 12 Stunden über 15 mal! Ich habe eine Strichliste gemacht. Und die Leute fanden es toll – jedes, jedes, jedes Mal. Nach den ersten beiden Wodka-Energy’s fand ich es auch nicht mehr ganz so schlimm wie am Anfang, ja. Möglicherweise sind diese 6 Tage etwas Schuld an meiner Karneval-Abneigung. Ich habe 6 Nächte durchgearbeitet und den Rosenmontag tagsüber noch….Kinderkarnevals-Party. Einmal habe ich es noch versucht – vor 2 Jahren mit einer Freundin zusammen in Bonn. Zugegeben, es war sehr sehr toll! Aber dennoch habe ich weder letztes Jahr noch dieses etwas vermisst. Und ohne Alkohol den Karneval in Köln durchzustehen ist utopisch. Und mich betrinken, nur weil Karneval ist und weil es alle machten – aus dem Alter bin ich jetzt raus.
Es gab laut Polizei über 200 Anzeigen, eine bestätigte Vergewaltigung einer 22-Jährigen von einem 17-Jährigen Flüchtling und unzählige sexuelle Belästigungen. Diese Meldungen bestärken mich umso mehr, die Karnevalszeit zu meiden und schön hier zu Hause zu bleiben und einigermaßen produktiv zu sein. Natürlich ist dies kein Hauptgrund, solche Events zu meiden – keiner soll in dieser Zeit in Angst leben. Aber es beruhigt es mich, zu wissen, solchen Gefahren nicht ausgesetzt zu sein.
Dennoch wünsche ich allen Jecken und wie sie alle heißen viel Spaß, Pfefferspray und ein regendichtes Kostüm.
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