Ich saß mit meiner Freundin in unserem Lieblingscafé, um ein weiteres „Beziehungsdrama“ – wie sie es selbst nannte – zu besprechen. Wir bestellten die üblichen Latte Macchiatos, verzichteten dieses Mal auf den Kuchen und ich schaute sie erwartungsvoll an.
„Ich liebe ihn. Wirklich. Wirklich sehr. Er ist ein toller Mann. Und wir verstehen uns so gut. Ich bin gerne in seiner Nähe und fühle mich geborgen. So nah war ich noch keinem Mann zuvor.“
„Aber?“
„Wieso glaubst du, dass da ein „aber“ kommt?“
„Ich sehe es dir an. Und einen tollen Mann zu lieben ist noch lange kein Beziehungsproblem“, sagte ich und versuchte sie aufmunternd anzulächeln.
Sie seufzte. „…aber mir fehlt etwas.“
„Ist der Sex mies?“
„Nein. Der Sex ist auch wirklich toll.“
„Sex toll. Mann toll. Beziehung toll. Wo ist das aber?“ Ich konnte es mir beim besten Willen nicht vorstellen, was jetzt kommen sollte. Ihre Beziehung klang perfekt. War sie auch. Er trug sie auf Händen, ging gut mit ihr um, tat alles für sie.
„Aber es fehlt die Leidenschaft. Der Sex an sich ist klasse. Aber das davor… wenn er mich küsst…ich denke immer an etwas anderes. Dabei sollte doch mein Herz schneller schlagen, die Knie weich werden und der Kopf sich ausschalten. Da ist absolut keine Leidenschaft zwischen uns. Das Vorspiel ist katastrophal. Ich hab erst Lust mit ihm zu schlafen, wenn wir dabei sind…das sollte doch anders sein. Und dir kann ich es ja sagen: Bei anderen war es auch anders! Das liegt an ihm. Zwischen uns war nie so eine Leidenschaft, dass wir uns die Klamotten vom Leib reißen wollten…“
„Auch am Anfang nicht? Nach einer längeren Beziehung ist das ja vollkommen normal.“
„Naja, der erste Kuss war wahnsinnig leidenschaftlich und toll. Und es gab ein paar Male, wo wir auch leidenschaftlichen Sex hatten. Aber das war schon die Ausnahme… Und es fehlt mir einfach so, verstehst du? Dieses Gefühl, von dem Mann einfach gepackt zu werden und…“, sie verstummte. Die Kellnerin brachte gerade unsere Getränke. Meine Freundin wurde ganz rot. Ihr war die ganze Sache sichtlich unangenehm. Generell redete sie auch nicht so gerne über Sex.
„Hast du mit ihm mal darüber gesprochen?“
„Ja. Er hat dann auch versucht, mal etwas leidenschaftlicher zu sein. Aber das war eher unbeholfen und machte mir deutlich, dass sich das nie ändern wird… Er ist ja auch kein Typ Mann, der eine Frau verführt.“
„Das wusstest du allerdings vorher.“ In der Tat. Wir wussten beide von Anfang an, dass er kein Kernerschütterer sein würde. Er ist der „nette Kerl“, der niemals eine Frau betrügen würde. Leider haben auch genau diese netten Kerle keine Ahnung, wie man eine Frau im Bett behandelt.
„Jaja…ich wusste nur nicht, dass es mir so fehlt. Kristian hatte mich einfach gepackt, über den Tisch gelegt und … naja, du weißt schon.“, wieder wurde sie etwas rot.
„Kristian hat dich aber auch nur benutzt.“ Das tat sie immer. Sie verglich ihren aktuellen Typ immer mit dem letzten.
„Es war eine einvernehmliche Affäre. Tu nicht so als hätte ich mich ausnutzen lassen!“, sagte sie etwas trotzig.
Okay, da hatte sie recht. Da sie am Ende aber Liebeskummer hatte, weil er sich auf einmal wie ein Arschloch verhalten hatte, habe auch ich nicht unrecht.
„Ist es wirklich zu viel verlangt, eine aufrichtige und ehrliche Beziehung zu haben und gleichzeitig heißen und leidenschaftlichen Sex?“, fragte sie mich etwas verzweifelt.
„Ganz ehrlich? Ich glaube, wenn es der richtige Mann ist, dann geht das. Aber rechne mal die Chance aus, wie wahrscheinlich es ist, diese Person auch zu finden. Immer mehr Menschen sind mit dem „falschen“ Partner zusammen, aus Bequemlichkeit. Sie akzeptieren – wie du – den nicht leidenschaftlichen Sex oder einen Mann, der sie betrügt, weil er einfach nicht nett ist.“
Die Antwort wollte sie nicht hören. Aber meiner Meinung nach stimmt es. Max Giesinger hat es sehr treffend formuliert: „Einer von 80 Millionen“ … und das nur in Deutschland. Die große Liebe könnte genauso gut in Italien leben, oder in Amerika. Heutzutage sind die Möglichkeiten unbegrenzt, die Auswahl größer und die Wahrscheinlichkeit, die Eine Person zu finden, somit auch.
„Und was mach ich jetzt? Ich liebe ihn doch. Aber ich stelle mir immer häufiger Sex mit einem anderen Mann vor. Und wenn mir mal einer über den Weg läuft….ich weiß nicht, ob…“, sie schaute mich ängstlich an. Sie wusste zwar, ich würde sie nicht verurteilen für diese Gedanken, aber sie tat es selbst.
„Du musst dir die Frage stellen, ob er es dir wert ist, der Versuchung zu widerstehen. Denn nur dann ist es auch die wahre Liebe.“
In der Reihe „Friendstalk“ geht es um klassische Gespräche zwischen zwei Freundinnen. Mal vollkommen frei erfunden, mal angelehnt an wahre Ereignisse, mal haben sie 1:1 stattgefunden.
Schreibe einen Kommentar