Es war das erste Karneval in Köln/Bonn, welches ich als Single verbracht habe. Und wer schon einmal Karneval im Rheinland gefeiert hat, weiß, was hier alles passieren kann … 😉
Ich war mit einer alten Schulfreundin verabredet, welche in Bonn studierte. Ich selbst wohnte noch in Köln. Wir wollten hier mit ein paar Freunden von ihr den Rosenmontagszug gucken. Ich machte mich zuhause fertig und als frisch gebackener Single nutzte ich natürlich diese Freiheit aus: Ich verkleidete mich als Kätzchen. Mit einem schwarzen, kurzen und hautengen Partykleid. Schulterfrei. Mit Stiefeln. Ein paar Schnurrbarthaare mit einem Eyeliner aufgemalt, Katzenöhrchen an, Locken gemacht und fertig.
Wir trafen uns vor dem McDonalds am Bonner Hauptbahnhof und warteten noch auf eine Freundin und einen Kumpel von ihr. Im Gepäck: Eine Großpackung Klopfer. Wir sollten heute eigentlich nur zu viert sein, deshalb setzen wir uns rein und begannen das Vortrinken. Annika hatte Hunger, deshalb mussten wir unbedingt diese gemütliche Atmosphäre nehmen. Wir fingen an etwas zu trinken, bis Annika auf ihr Handy schaute und sagte:
„Nick kommt gleich auch noch vorbei, der macht früher Feierabend.“
„Der Nick, mit dem du am Donnerstag was hattest?„, fragte ich sie leise, damit die anderen mich nicht hörten.
„Ja, aber das war nichts großes und erwähnenswertes.“
Ich kannte sowieso keinen von ihren Freunden, nur sie, daher war mir das egal. Der Alkohol wirkte auch langsam und ich machte mir keine Gedanken. Als er endlich kam war ich schon etwas angetrunken, aber mir fiel sofort auf, dass er ziemlich gut aussah. Genau mein Typ. Er hatte dunkelbraune Haare, braune Augen und eine sehr schräge Kappe auf – sein Karnevalskostüm. Eine Panda-Kappe. Die dazu gehörende Sonnenbrille hatte er zum Glück nicht aufgezogen, sodass ich diese wunderschönen Augen sehen konnte. Er setze sich zu uns und mir gegenüber, beachtete mich aber nicht weiter. Annika und ihre Freundin mussten nochmal auf die Toilette, sodass ich mit Nick und Annikas Kumpel alleine war. Letzterer löcherte mich mit Fragen.
„Wir dachten du würdest genauso wenig existieren wie Felix.“
Felix war Annikas Ex-Freund, welcher sich immer aus allen Aktivitäten raushielt.
„Doch doch, wie du siehst bin ich ganz real. Felix im übrigen auch.„, fügte ich hinzu.
Nick fing an mich zu beäugen. „Was studierst du?“
Ich grinste. „Rate!“ Ich wollte zu gerne wissen, wie er mich einschätzte.
„Lehramt.“
„Nein, ganz sicher nicht.“
„BWL.“
„Sehe ich so aus?“
„Nein, auch wieder wahr. Weißt du es?„, fragte er an Annikas Kumpel gerichtet.
„Ja. Aber ich verrate es nicht.“ Ihm schien das auch sichtlich Spaß zu machen.
Nick machte noch ein paar halb-gare Versuche, bis die beiden Mädels wieder zurück kamen.
„Sollen wir los?“ fragte Annika, und los ging es. Ich war ziemlich angetrunken, genau wie die anderen. Nick hatte noch etwas aufzuholen, daher gingen wir ins nächste Kiosk und holten noch etwas. Für uns Mädchen-Bier, für die Jungs Kölsch – wie sollte es auch anders sein. Zufällig trafen wir einen weiteren Freund von Annika, mit dem sie sich dann natürlich verquatschte. Die beiden Jungs setzten sich auf die Barhocker und warteten bis die zwei anderen fertig waren.
Ich stellte mich Nick gegenüber und beäugte seinen Anstecker, welchen er auf seiner Jacke hatte. Ein Button mit der Aufschrift:“Ich bin betrunken“ und ein Smilie.
„Ich mag den haben, ich bin viel betrunkener als du.„, sagte ich.
„Ne, das ist meiner.“ erwiderte er mit einem Grinsen, hielt mich aber nicht ab, als ich ihn einfach abmachte und etwas ungeschickt versuchte ihn an meinem Mantel zu befestigen.
Er lachte. „Warte, ich helfe dir.“
„Aber nicht piksen„, sagte ich.
Er stand auf und machte den Button behutsam an meinem Mantel fest.
Er blieb dich vor mir stehen und schaute mir in die Augen. Es knisterte.
„Danke.„, lächelte ich ihn an. „Steht mir besser als dir, oder?“
Er lachte wieder und sagte nur knapp „Ja„.
Auf dem Weg zum Umzug lief ich neben ihm und merkte an, dass ich noch nie Kölsch getrunken hätte.
„Magst du mal probieren?“ er reichte mit seine Flasche.
„Iiih, ne, nicht mein Fall“ sagte ich. Ich schien ihn zu amüsieren.
„Also, was studierst du nun?“
„Versuch dein Glück doch weiter.“
Und wieder riet er vollkommen daneben. Aber ihm schien das Spielchen zu gefallen, da er es weiter versuchte.
Der Umzug war unspektakulär. Wir hatten unseren Spaß, tranken noch ein wenig und entschieden dann, noch in einen Club zur After-Zoch-Party zu gehen.
Im Club angekommen brachten wir Mädels unsere Jacken weg.
„Er gefällt dir, oder?“ fragte mich Annika.
„Ja schon. Aber du hattest was mit ihm, deshalb …“
Sie unterbrach mich. „Na und? Das war ja nur eine Knutscherei an Karneval letzte Woche. Sonst nichts. Er kann übrigens gut küssen, du solltest es mal ausprobieren.“
„Ich weiß nicht…“
„Also ich hab nichts dagegen.“
Gespräch beendet. Ich hatte auch nicht das Gefühl, dass er etwas von mir wollte. Er flirtete nicht und hatte auch sonst nicht viel Interesse gezeigt.
Wir gingen die Treppen von der Garderobe hinunter in den Eingangsbereich. Die Jungs warteten hier auf uns. Offensichtlich gefiel ihm der Anblick, er musterte mich von oben bis unten und grinste. Es lief gerade „Marmor, Stein und Eisen bricht“ – ein Klassiker. Alle sangen mit und tanzten, bis sich unsere Blicke trafen und die Funken nur so sprühten. Die Luft war förmlich elektrisiert. Ich weiß nicht wieso auf einmal, aber er holte mich aus der Menge raus, einige Schritte beiseite, schob mich gegen die Wand und küsste mich. Einfach so. Und der Kuss war gut. Richtig, richtig gut. Annika hatte nicht zu viel versprochen. Wir küssten uns leidenschaftlich, unsere Lippen waren vollkommen miteinander verschmolzen und wir wollten gar nicht mehr aufhören. Aber wir mussten irgendwann. Also ließen wir voneinander los, er nahm meine Hand und wir gingen wieder zu den anderen. Die hatten das natürlich mitbekommen und grinsten nur vielsagend.
I just wanna feel
Real love feel the home that I live in
‚Cause I got too much life
Running through my veins
Going to waste
Wir feierten noch stundenlang weiter, immer wieder knutschten wir zwischendrin miteinander rum und tanzten auch eng umschlungen bei ruhigen Songs miteinander. Es machte mich halb wahnsinnig, seinen sportlichen Körper unter meinen Fingern zu spüren.
Irgendwann nahm ich ihm seine Kappe ab und setze sie mir auf.
„Warte, da fehlt noch was.“, sagte er, zog sein Jacket aus und hielt es mir hin, sodass ich hineinschlüpfen konnte.
„Und?“ fragte ich, während gerade Robbie Williams „Feel“ zum besten gab.
„Ich weiß nicht wieso, aber mit meinen Sachen sieht du noch viel heißer aus als vorher.“
Er küsste mich wieder. Das war das erste Kompliment, was er mir gemacht hatte. Seine Berührungen an meinem Rücken, meiner Taille und meinem Nacken fühlten sich so wahnsinnig gut an. Ich wollte am liebsten mehr. Aber ich wollte auch nicht mit zu ihm gehen. Auf jeden Fall nicht einfach so, ohne, dass er fragte.
Die Zeit verging, bis es irgendwann soweit war, um nach Hause zu fahren. Wir versammelten uns vor dem Club. Ich setze mich auf den Barhocker, der dort stand und Nick kam zu mir und küsste mich wieder. „Nehmt euch ein Zimmer!„, sagte der Türsteher etwas unfreundlich und forderte mich auf von seinem Platz aufzustehen. Oje. Aber auch das nahm er nicht als Anlass, mich zu fragen, ob ich bei ihm schlafen wolle. Also musste ich heim, die letzte Bahn nach Köln fuhr bald.
Annika nahm Nick zur Seite und sprach mit ihm. Dann kam sie zu mir und umarmte mich.
„Er bringt dich noch zum Bahnhof.“
„Annika, was hast du ihm gesagt?“
„Nichts. Nur, dass er auf dich aufpassen und dich zum Zug bringen soll.“
Okay ….
„Sollen wir los?“ fragte er.
„Du musst mich nicht bringen“
„Doch, das ist kein Problem. Ich muss eh in die gleiche Richtung, ich wohne in der Nähe.“
Okaaaaaaay. Ich hoffte insgeheim, dass er gar nicht vor hatte, mich wirklich zum Zug zu bringen.
Als wir in Richtung Bahnhof gingen, wagte er einen letzten Versuch.
„Also, verrätst du mir nun, was du studierst?“
Ich gab nach. „Philosophie.“
„Oh, das ist ja mal was richtig interessantes.“
Er schien überrascht zu sein. Wir unterhielten uns eine Weile dadrüber, bis wir am Bahnhof angekommen waren. Er brachte mich bis zur Treppe, wo es runter zu meinem Gleis ging.
Ich schaute auf die Anzeigetafel. „Wir haben noch 7 Minuten zum Knutschen.“
Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Er kam näher, legte eine Hand in meinen Nacken und küsste mich. Die andere wanderte zu meiner Hüfte und drückte mich noch weiter an sich. Nach ein paar Minuten stoppte er aber und schaute auf die Tafel. Er zögerte.
„Gibst du mir deine Handynummer?“
Ich lächelte und nickte.
„Gib mir das Handy, du weißt sicher eh meinen Namen nicht mehr.“
„Weißt du denn meinen?“
„Ja, Nick.“
„Oh…“
„Nicht so schlimm. Hier, Name und Handynummer!“
„Danke, Sabrina.“
Er lächelte und küsste mich wieder.
Er schaute mir noch hinterher, als ich in die Bahn einstieg in Richtung Köln. Ich war mir nicht sicher, ob er sich morgen noch erinnern würde. Oder ob ich jemals noch etwas von ihm hörte. Aber es war ein verdammt schöner Abend. Und ich hatte den besten Kuss meines Lebens.
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