Wir schrieben nun schon seit über 2 Stunden über ihre Beziehung. Sie war unglücklich. Ich konnte es auch verstehen. Eine Fernbeziehung ist nicht leicht, vor allem, wenn man vorher bereits zusammen gewohnt hat.
„Und außerdem muss ich auch zugeben, dass ich seit ich ihn kennengelernt habe, er mir nicht mehr aus meinem Kopf geht. Ich muss öfter an ihn denken, als an meinen Freund. Das ist doch nicht normal, oder?“ Nein, war es nicht. Und was sie hier gerade zugegeben hat, brachte auch mich in ein Gefühlschaos. Sie hatte Interesse an dem Mann, bei dem es bei mir direkt gefunkt hatte. Sie wollte den Mann, den sie eigentlich mir geben wollte.
„Wahrscheinlich wolltest du ihn durch das Verkuppeln nur loswerden, weil du wusstest, es ist nicht richtig…“
„Jaa, das denke ich auch. Aber dann habe ich gemerkt, dass ich ihn doch will. Zum Glück sind erst 2 Tage nach eurem Treffen vergangen, da ist ja noch nichts passiert!“ Nichts passiert würde ich das jetzt nicht nennen. Und auch wenn wir erst vier Tage miteinander schreiben und uns nur einmal für zwei Stunden getroffen haben, heißt das ja nicht, dass er mir egal ist…
„Aber ich verlange wirklich in keiner Weise von dir, dass du nicht mehr mit ihm schreibst! Und ich finde auch, wenn du das Gefühl hast, er könnte dich wirklich ernsthaft interessieren als Person, dann solltest du das auch nicht machen! Ich habe momentan noch einen Freund und bis ich mich dazu entschieden habe mich zu trennen und dann auch noch genug Zeit vergangen ist, dass ich mir sicher bin dass es Zeit ist sich auf jemand Neues einzulassen, gehen wahrscheinlich noch Monate ins Land“
Ich fand es trotzdem nicht richtig. Eine meiner engsten Freundinnen ist in einen Typen verliebt, mit dem ICH anbandle. Es tut ihr weh, wenn ich mit ihm schreibe. Und das möchte ich nicht.
„Kannst du dir denn mehr mit ihm vorstellen? Oder ist er nur eine Ablenkung, weil du unglücklich mit deinem Freund bist?“
„Ja ich kann mir mehr mit ihm vorstellen. Ich finde ihn insgesamt sehr attraktiv. Er hat ja auch voll viele Eigenschaften die ich schätze. Wir können uns gut unterhalten, er mag auch Kochen, er ist intelligent, gibt mir das Gefühl von mir fasziniert zu sein und hat immer in allem von mir irgendwas positives gesehen, egal was ich gesagt hab, seine Denkweisen, außerdem ist er fast 30, steht mit beiden Beinen im Leben, wohnt bei mir in der Stadt, … ich könnte noch ewig so weiter machen!“
„Du klingst ganz schön verliebt. Was sag ich ihm denn jetzt… dass ich doch kein Interesse habe?“
„Oh man, ich will doch gar nicht dass du aufhörst mit ihm zu schreiben. Ich würde glaub ich einfach gar nichts schreiben warum du nicht mehr antwortest oder sowas… Einfach nicht mehr schreiben.“
„Hmm, hab ich ja jetzt schon seit deinem Geständnis nicht mehr.“ Er wartete schon seit Stunden auf eine Antwort von mir. Aber ich wusste nicht, was ich schreiben sollte. Ob ich ihm so überhaupt noch schreiben konnte. Die Wahrheit konnte ich ihm nicht sagen, er wusste ja nichts von ihren Gefühlen.
„Zum Glück sind erst ein paar Tage vergangen und ihr habt euch erst einmal getroffen für 2 Stunden. Ich werde ihm über kurz oder lang auch sagen, dass er in meinem Kopf ist.“
„Das solltest du besser so schnell es geht machen.“ Ich gebe zu, ich hatte gehofft, dass wenn er den Grund erfährt, wieso ich ihm nicht mehr schreibe, ändert sich die Sachlage. Ich wusste, was zwischen uns passiert ist bei unserem Treffen. Und natürlich hoffte ich, er sagt ihr, er möchte mich…
„Wäre ich Single wäre es schon lange um mich geschehen. Aber ich hab immer ein schlechtes Gewissen und denke es ist falsch! Er darf nicht in meinem Kopf sein. Ich schätze, wenn ich Schluss machen würde und wir uns richtig Daten würden, würden wir schnell merken, dass es funkt.“ Sie war sich ziemlich sicher. Dass sie verliebt war, merkte ich. Aber wenn er so verliebt in sie gewesen wäre, dann wäre unser Treffen doch ganz anders abgelaufen…
Sie ging von aus, dass sie Vorrecht hatte. Sie hatte ihn zuerst kennen gelernt. Sie schreibt schon seit Wochen mit ihm. Sie war die Erste. Und wir hatten uns ja erst 2 Stunden getroffen gehabt. Okay. Wenn sie das so sieht. Ich fand es nicht fair ihr gegenüber, weiter mit ihm zu schreiben. Ich bin eine loyale und gute Freundin. Das wollte und konnte ich ihr nicht antun. Selbst wenn sie es ihm nicht erzählt hätte, oder nichts draus geworden wäre. Allein die Vorstellung, dass die beiden bald zusammen sein könnten, brach mir allerdings das Herz. Ja, es waren nur zwei Stunden und wenige Tage schreiben. Aber mir vorzustellen, dass er sie küsst, ihre Hand hält, sie in den Arm nimmt….in mir zog sich alles zusammen. Aber ich setze nicht diese Freundschaft aufs Spiel, für einen Kerl, den ich kaum kenne. Also schrieb ich ihm nicht mehr. Sie sprach mit ihm, und ich musste mir den ganzen Abend von ihr anhören, wie sehr er sich freute, dass sie ihn will. Und dass sie sowieso die ganze Zeit nur die Einzige in seinem Kopf war. Sie wollte am Wochenende mit ihrem Freund reden und eine Pause eingelegen. Sich aber vorher mit ihm treffen. Sie hatten das Date bereits ausgemacht und durchgeplant. Sie wollte ihn auch küssen, um ihm zu beweisen, dass sie es ernst meint. Er wollte es auch. Ich hatte mehr Liebeskummer, als es angebracht war in dieser Nacht. Es war Illusion, was zwischen uns passierte bei unserem Date. Er wollte selbst da eigentlich lieber sie. Es war verdammt hart, sich das einzugestehen.
Auch am nächsten Tag ging es mir nicht besser. Sie nahm auch keinerlei Rücksicht und erzählte fröhlich weiter. Sie hatte ihn. Und ich versuchte, nicht sauer auf ihn zu sein. Okay, dann will er halt sie. Aber den Anstand mir das zu schreiben sollte er eigentlich schon haben. Es kam nichts mehr von ihm. Ja, ich war mit Antworten dran. Aber laut ihr wusste er auch, wieso ich ihm nicht mehr schrieb. Ich hatte ihm mehr zugetraut. Das war kein erwachsenes Verhalten. Umso überraschter war ich, als er mir abends dann doch schrieb…
Er wollte gerne mit mir reden, weil er das Gefühl hat, dass irgendwas nicht mit rechten Dingen zugeht und er gerne meine Version der Geschichte hören wollte. Wir zwei hätten das Recht, auch miteinander zu sprechen.
Ich war verwirrt. Ich dachte, er wollte mit mir nicht reden. Hatte sie mich angelogen? Hatte sie womöglich auch ihn angelogen? Konnte ich mit ihm sprechen, ohne sie zu hintergehen? Ich stand natürlich hinter ihr, keine Frage. Aber wenn nur er seine Version erzählt, wäre ich in keiner Zwickmühle. Also telefonierte ich mit ihm….und das änderte die Sachlage ganz gewaltig.
„Hast du gestern mit ihm gesprochen?“
„Ja.“
„Dann weißt du ja sicher, dass er unser Date gecancelt hat und lieber dich will!“
Ich wusste es nicht sicher. Er hatte es vor, ja, aber dass er es durchgezogen hat, wusste ich noch nicht.
„Wundert dich das? Du hast uns beide belogen und manipuliert. Er hatte doch fast keine andere Wahl, als sich mit dir zu verabreden. Und du hast mich tagelang belogen!“
„Ich war verzweifelt und eifersüchtig. Du musst das doch verstehen!“
„Ich verstehe es ehrlich gesagt auch. Aber hättest du mir von Anfang an die Wahrheit gesagt, dann hätte ich doch trotzdem meine Finger von ihm gelassen. Du erzählst mir Dienstags, dass du ihn willst und vor hast mit ihm zu sprechen. Dieses Gespräch war allerdings bereits Sonntag Nacht. Was hattest du davon, mich zu belügen? Ich hätte doch genauso gesagt, ich lass ihn in Ruhe dann. Stattdessen belügst du mich tagelang. Und erzählst Dinge, die nicht stimmen, nur um mich zu verletzten. Und ihm erzählst du ebenfalls Lügen über mich. Das ist doch auch keine Basis für eine Beziehung…“
„Ich kann es jetzt auch nicht mehr rückgängig machen. Ich bin halt verliebt in ihn. Und ich hab Vorrecht auf ihn. Ich kenne ihn viel länger. Und wir hatten so viele Pläne miteinander, wir hatten Kosenamen für den anderen, er hat mir Zettelchen geschrieben, dass ich immer etwas Besonderes für ihn sein werde… wir hatten was echtes. Und jetzt will er lieber dich. Davor hatte ich halt Angst...“
„Trotzdem hättest du unsere Freundschaft nicht so verraten dürfen. Ich hab die ganze Zeit zu dir gehalten. Ich wusste, dass es gefunkt hat zwischen ihm und mir. Aber habe dir den Vortritt gelassen. Und du botest mich so aus, erzählst ihm Lügen, nur damit er dich nimmt. Das ist nicht fair.“
„Ich hab ihn halt zuerst kennengelernt…“ Das war ihre Antwort auf alles. „Meins“, würde Barney sagen.
Ich beende die Story jetzt hier. Sie ging zwar noch knapp zwei Monate weiter, aber die Kernaussage ist getroffen. Ob das mit mir und dem Kerl etwas geworden ist, verrate ich nicht. Ich kann nur sagen: Das war das Ende einer Freundschaft.
In der Reihe „Friendstalk“ geht es um klassische Gespräche zwischen zwei Freundinnen. Mal vollkommen frei erfunden, mal angelehnt an wahre Ereignisse, mal haben sie 1:1 stattgefunden.
[…] versucht habe zu verarbeiten. Der letzte Teil ging Anfang diesen Monats online. (Teil 1, Teil 2, Teil 3) Was ich daraus gelernt habe? Man sollte viel mehr auf sich selbst und sein eigenes Gefühl […]