Identität.
Wer oder was sind wir? Was macht uns aus? Ein Name? Unser Beruf? Unser Charakter?
Im Wörterbuch steht es folgendermaßen:
Identität: Echtheit einer Person oder Sache; völlige Übereinstimmung mit dem, was sie ist oder als was sie bezeichnet wird
Identität in der Psychologie: als »Selbst« erlebte innere Einheit der Person
#1
Ich sitze an meinem Tisch und warte auf die herumgehende Liste. Als sie vor mir liegt, suche ich mich unter dem Namen, der nicht meiner ist. Der nie wirklich meiner war. Ich krickle eine Unterschrift hin, sodass man sie nicht richtig erkennen kann. Ich blättere auf die Vorderseite und gebe die Liste weiter. Ich habe für jemanden unterschrieben, der nicht da ist. Aber ich bin da. Und stehe weder auf der Liste, noch bin ich wirklich und real anwesend in diesem Raum. Ich bin hier jemand anders. Zumindest auf dem Papier.
#2
Ich blättere in der Zeitschrift im Wartezimmer herum. Um mich herum mehrere Menschen, die wie ich darauf warten, endlich aufgerufen zu werden. Als die Sprechstundenhilfe das Zimmer betrat, rief sie einen Namen auf. Ich stand auf und folgte ihr. Aber es war nicht mein Name.
#3
„Ihren Ausweis bitte!“, sagte der Mann von der Deutschen Bahn. Er wollte kontrollieren, ob ich wirklich die Person bin, die auf dem Semesterticket drauf stand. „Nein, das bin ich nicht!“, hätte ich am liebsten gesagt. Aber ich gab ihm meinen Ausweis, er vergleich, nickte und ging weiter.
Es fühlte sich an, wie unter einem Pseudonym zu leben. Aber eines, welches weder mich repräsentierte, noch mir gehörte. Eines, das mir aufgedrängt wurde. Ich fühlte mich oft nicht anwesend, wie ein Geist. Ein Schatten meiner selbst.
Ich buchte Bahntickets unter diesem Namen.
Ich machte Termine für mich aus unter diesem Namen.
Ich immatrikulierte mich unter diesem Namen.
Ich tätigte Überweisungen unter diesem Namen.
Ich bekam Post unter diesem Namen.
Und ich wies mich mit diesem Namen aus.
Aber das war nicht ich.
Sondern ein anderer Mensch, der niemals existierte.
Doch wo war ich?
Es fühlte sich an, als existierte ich nicht.
Seine Identität an einem Namen fest zu machen ist nicht richtig. Aber doch macht der Name einen sehr großen Teil von dieser aus. Und von unserer Persönlichkeit.
In der Psychologie besteht die Identität hauptsächlich aus der eigenen Wahrnehmung seiner selbst. Im Allgemeinen bezeichnet das Wort Identität vor allem das, was uns einzigartig macht, zu einer individuellen Identität – wie beispielsweise unser Name. Unsere Identität entwickeln wir unser gesamtes Leben lang, stetig weiter. Wir wachsen an unseren Erfahrungen, unser Charakter formt sich, verändert sich und wir lernen immer mehr über uns selbst dazu.
Allerdings ist für jeden Menschen Identität etwas anderes. Jede Person bestimmt seine eigene Identität durch andere/verschiedene Faktoren.
Für mich war dies u.A. der Name. Der bin ich. Der gehört zu mir. Mit diesem bin ich aufgewachsen. Und besonders schlimm für jemanden, der sich mit dem Namen identifiziert ist es, einen Namen zu tragen, der für einen selbst nichts bedeutet, oder sogar negativ behaftet ist. Mit Leid, Schmerz, Fehlern.
#1
Ich sitze in der Straßenbahn. Ich drehe das Lied voll auf. Ich fahre vorbei an der Arena, die Sonne scheint in mein Gesicht. Ich fühle mich gut. So gut, wie seit unendlich langer Zeit nicht mehr. Der Beginn von etwas neuem. Und besseren. Und unendlichem.
Ich wart‘ seit Wochen
Auf diesen Tag
Und tanz‘ vor Freude, über den Asphalt
Als wär’s ein Rhythmus
Als gäb’s ein Lied
Dass mich immer weiter durch die Straßen ziehtAn Tagen wie diesen
Wünscht man sich Unendlichkeit
#2
Ich hasse telefonieren. Wirklich. Sehr. Aber diese Anrufe fallen mir erstaunlich leicht. Ich mache Termine. Termine für mich selbst. Ich sage meinen Namen, damit sie diesen notieren können. Es fühlt sich gut an, nicht mehr falsch, wie noch wenige Wochen zuvor. Und es fühlte sich nicht mehr so an, wie vor fast genau zwei Jahren, als ich diesen Namen das erste Mal aussprach.
#3
Ich fühle mich frei. So frei, wie schon seit sehr langer Zeit nicht mehr. 18 Monate wartete ich auf diesen einen Tag und auf das, was er in Gang setzen würde. Ich bin wieder ich. Meine Identität ist wieder hergestellt.
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