Wir leben im 21. Jahrhundert. Heute kann man sich in zwei Minuten verheiraten lassen, seinen nächsten Partner mit einem Wisch nach rechts kennenlernen, sich alles mögliche bis zur Haustür liefern lassen und dies auch noch mit Zahlpause in Raten abzahlen. Wer etwas kaufen will, hat eine unendliche Auswahl, es stehen zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, sodass wir gar nicht mehr in der Lage sind, zu entscheiden. Lieber dies, oder lieber das? Lieber von diesem Anbieter, oder doch besser von dem Anderen?
Die Auswahl und die Möglichkeiten sind vielfältig. Sind wir also überhaupt noch in der Lage, das was wir wirklich wollen zu erkennen und uns auch genau dafür mit voller Überzeugung zu entscheiden?
Ich habe Angst mich festzulegen, mein Herz in die Hände eines anderen Menschen zu legen und zu hoffen, dass er es nicht kaputt macht. Zu oft ist dies bereits passiert. Menschen gehen nicht gut mit dem Herzen anderer Menschen um. Sie lügen, sie betrügen, sie illusionieren. Deshalb ist es besser, dieses Herz schön bei sich zu behalten, eine Mauer drum zu bauen und sich selbst dadrum zu kümmern.
Willkommen im Land der Tausend Möglichkeiten
Es gibt unzählige Dating-Apps. Statt einer begrenzten Auswahl im Heimatdorf oder in der Schulklasse, haben wir heute Millionen von potentiellen Partnern auf der ganzen Welt zur Verfügung. Denn dank der modernen Mittel – sei es in der Kommunikation, Sprachgewandtheit oder auch Mobilität – können wir unseren neuen Partner überall finden. Die Auswahl ist größer als früher. Die Möglichkeiten unbegrenzter. Unsere große Liebe muss nicht mehr in der selben Straße wohnen, nein, wir können auch einfach nach rechts wischen und dann zu ihm fliegen, skypen oder messagen.
In einer Zeit, wo möglicherweise die große Liebe nur ein Swipe nach rechts entfernt ist, wie können wir uns da überhaupt noch festlegen?
Es könnte doch immer noch einen besseren, intelligenteren, heißeren Partner geben da draußen für uns. Einen, bei dem es sich noch richtiger anfühlt, mit ihm zusammen zu sein. Einen, der doch noch ein kleines bisschen besser zu uns passt, als der aktuelle Partner. Und möglicherweise, hat er auch diese eine nervige Angewohnheit nicht, die uns bei ihm zur Weißglut treibt.
Exklusivität = Aufgabe der Freiheit?
Exklusivität geht auch immer mit Verbindlichkeit, Monogamie und Kompromissen einher. Können wir uns auf Grund der vielen Möglichkeiten einfach nicht mehr festlegen? Haben wir es sogar verlernt, uns zu binden und mit dem was wir haben zufrieden zu geben?
Ohne Exklusivität, ist es dann nicht einfach nur ein Abgreifen von Zuneigung, ohne Verantwortung zu übernehmen? Ein verfügbar sein, wenn man es gerade braucht? Ein Fluchtinstinkt, um sich abzusichern? Es könnte ja an der nächsten Ecke (oder App) ein viel besserer Partner auf uns warten.
Aber ist es die Vielzahl der Möglichkeiten, die Ungewissheit, ob es nun der Eine ist oder die fehlende Kompromissbereitschaft, die uns daran hindert, uns festzulegen? Oder ist uns nur das Risiko zu hoch, dass es doch das Richtige ist?
No Risk, No Love
Eine Beziehung einzugehen bedeutet, ein gewisses Risiko auf sich zu nehmen. Man legt einen ganz wichtigen Einsatz auf den Tisch: Sein Herz. Und dieser Einsatz ist leicht zu verlieren, zu brechen und ausnutzbar. Selbstschutz ist oftmals angebracht, aber in welchem Maße? Und verspielen wir nicht genau damit vielleicht die Chance auf die echte, wahre Liebe?
Geht es bei der großen Liebe nicht darum, sich auf diesen einen Partner festzulegen, ihn ohne Wenn und Aber zu lieben, ihm treu zu sein, ihn zu unterstützen und sich immer wieder aufs Neue für ihn zu entscheiden?
Muss alles immer erst kompliziert sein, damit wir glauben, das es echt ist?
Wer ständig auf der Suche ist, kann nicht zur Ruhe kommen. Immer nach etwas besserem Ausschau zu halten, immer rastlos zu sein, immer zu hoffen, etwas zu bekommen, was vielleicht bereits da war – das ist weder der Schlüssel zur wahren Liebe, noch zu einem glücklichen Leben.
Vielleicht müssen wir uns einfach nur entscheiden. Entscheiden für die Person, mit der es sich richtig anfühlt. Vergessen, dass es eventuell einen Besseren geben könnte. Uns auf das konzentrieren, was mit dieser Person gut ist, weshalb wir uns in sie verliebt haben. Wir müssen zur Ruhe kommen, den Moment genießen und aufhören zu suchen. Denn wer immer sucht, wird nie ankommen. Wer immer sucht, läuft vielleicht an dem vorbei, was er finden will und verliert nicht nur sein Ziel aus den Augen, sondern vor allem sich selbst.
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