Vor ein paar Tagen sprach Luise in einem Post über Selbstbefriedigung. Vor einem Jahr sprach Lina über ihre Affäre mit einem vergebenen Mann. Dafür – und für ihre tolle Art zu erzählen – bewundere ich diese beiden Bloggerinnen. Ich habe Respekt vor dem Mut, ihre Geschichten offen zu teilen, dafür angefeindet zu werden und dafür, so ehrlich über ihre Erfahrungen zu berichten. Neben Bewunderung und Respekt schleicht sich bei mir aber noch ein anderes Gefühl ein: Neid. Ich bin neidisch, weil ich den Mut bisher nicht in dem Maße aufgebracht habe, wie ich gerne würde. Ich schrieb vor ein paar Tagen über meine #metoo Erfahrung. Ich haderte lange mit mir, ob ich diese Geschichte erzählen soll, oder nicht. Was, wenn das bestimmte Leute lesen? Will ich das? Was sind die Konsequenzen? – Und genau darüber möchte ich eigentlich nicht mehr nachdenken müssen. Ich will mutig sein, meine Geschichten erzählen und diese auch so verarbeiten.
Wie viel ist zu viel?
In einer Welt, wo jeder theoretisch Zugriff auf meine Texte hat, wo ist da die Grenze zwischen „okay“ und „too much? Will ich, dass ein zukünftiger Kunde liest, wie ich einer anderen Frau den Freund ausgespannt habe? Will ich, dass meine Mutter liest, wie mies mich ein Mann behandelt hat? Will ich, dass mein Vater lesen kann, wie ich zum Thema Selbstbefriedigung stehe? Will ich, dass die Ex-Freundin meines Freundes liest, wie wir uns kennengelernt haben? Will ich, dass mein Freund lesen muss, wie ich über ein Date mit einem anderen Mann schreibe? [vor ihm natürlich]
Die Antwort auf diese Frage ist eine Gratwanderung. Ab wann ist es zu viel? Wie viel möchte ich der Öffentlichkeit preisgeben? Welche Konsequenzen können diese Geschichten womöglich für mich, meine Beziehungen, meine Karriere und meine Persönlichkeit haben? Will ich, dass ehemalige Freunde von mir lesen, wie sehr sie mich verletzt haben? Wer viel preisgibt macht sich auch automatisch angreifbar.
Wofür will ich stehen?
Ich möchte anderen Frauen helfen, indem ich ihnen meine Geschichten erzähle. Ich möchte, dass andere sich in meinen Texten wiederfinden. Ich möchte, dass Tabuthemen verschwinden. Warum? Weil ich in vielen Situationen früher und auch heute noch gerne passende Storys, Texte und Erfahrungen von anderen gelesen hätte.
Ich verarbeite Geschehnisse in Texten. Ich verarbeite meine Ängste in Texten. Und ich verarbeite auch Hoffnung, Erwartungen und Glück in meinen Texten. Mir ging es bei jedem einzelnen veröffentlichten privaten Text psychisch besser. Aber auch das Gefühl der Angst machte sich in mir breit. Was, wenn die falschen Leute diese persönlichen Texte lesen?
Ich möchte mich davon lösen. Ich versuche es Tag für Tag. Am Sonntag kommt der erste von drei Teilen über meine Erfahrungen darüber, wie es ist, „die andere Frau“ zu sein. Vor wenigen Tagen ging ein Text über das Thema Verlieren online. In meinen Entwürfen befindet sich ein Schlussmach-Brief an eine Freundin, meine Erfahrungen mit dem Thema fremdgehen, ein Text über einen verrückten Sommer, mit vielen Details. Ich hätte Lust, jüngeren Mädels Ratschläge zu geben, die ich damals gerne gewusst hätte. Aber auch hier muss ich von meinen eigenen Erfahrungen berichten. Ich hadere immer noch mit mir, ob ich solche persönlichen Informationen teilen möchte. Ich hadere auch mit mir, über Tabuthemen zu sprechen. Aber ich fühle mich auch nicht besser, es nicht zu tun.
Wie steht ihr zu dem ganzen Thema: Ab wann ist es zu viel Information?
Schreibe einen Kommentar