Sicherlich war jeder bereits in dieser Situation: Du bist in einer Beziehung, deine engsten Freunde nicht. Das muss nicht zwangsläufig problematisch sein. Aber es verändert etwas. Und das manchmal nicht nur innerhalb der Freundschaft, sondern auch in der Beziehung.
Heute habe ich drei Stories für euch zum Thema „Wie ist es, als Vergebener mit einem Single-Freund auszugehen?“. Eine der Stories ist 1:1 so passiert. Die anderen haben etwas künstlerische Freiheit, haben aber dennoch so ähnlich stattgefunden.
Und: Ich-Perspektive bedeutet nicht immer gleich „ich“ 😉
Story #1
„Seit ich dich kenne achte ich auch ständig auf süße Typen. Das macht ja richtig Spaß.„
Diesen Satz hörte ich eine Freundin von mir sagen. Zu mir. Und unrecht hatte sie definitiv nicht. Natürlich achtet man als Single mehr auf das andere Geschlecht in unmittelbarer Umgebung. Sei es der Jagdtrieb oder einfach nur, weil man es kann und es Spaß macht.
Wir waren auf einem Poetry Slam. Es war voll, wie nicht anders zu erwarten. Ich checkte wie immer den Raum ab, ob ich ein bekanntes Gesicht sah.
„Da drüben wäre einer für dich.“ , sagte sie auf einmal zu mir.
Ich schaute in ihre Richtung. Ohja! Genau mein Typ. Sie schaute sich weiter um.
„Hälst du jetzt für mich nach Männern Ausschau?“ , fragte ich sie.
„Ja, das ist ganz witzig.“
Wir behielten den süßen braunhaarigen Typen immer mal wieder im Auge. In der Pause brachten wir unseren Stimmzettel nach vorne.
„Soll ich ihn für dich ansprechen?“
„Was? Nein. Das wäre ja voll peinlich. Außerdem denkt der dann, dass du was von ihm willst.“
„Nö, ich hab ja einen Freund.“
„Trotzdem. Gerade deshalb solltest du das auch nicht machen. Dein Freund fände das sicherlich nicht gut…“
„Der weiß das ja nicht. Außerdem spreche ich ihn ja FÜR DICH an.“
„Nene, lass mal.“
Und ein Glück hatte sie es auch gelassen.
Story-Nachtrag:
Ich war ihre einzige Single-Freundin. Durch die Zeit mit mir merkte sie, wie sehr ihr die Unabhängigkeit fehlte. Das Begehrt-werden. Das Flirten. Das Ansprechen. Sie liebte ihren Freund. Das tat sie wirklich. Oft merkt man erst, was einem fehlt, wenn man es vor die Nase gehalten bekommt. Hätten wir uns nicht kennengelernt, wäre sie vielleicht immer noch bedingungslos mit ihrem Freund glücklich. Vielleicht hätte sie dieses Gefühl aber spätestens dann ereilt, wenn sie einen anderen Mann kennengelernt hätte. Wer weiß.
Story #2:
Sie schleppte mich mal wieder in einen Club. Eigentlich hatte ich keine Lust dadrauf. So musste ich wieder mit meinem Freund rum diskutieren deswegen. Beim letzten Mal bombadierte er mich die ganze Zeit mit Nachrichten, ob ich auch ja nichts anstelle, wer so da sei, und so weiter. Nervig. Aber hey – sie war nun mal Single, wollte ihren Spaß haben und da bot sich der Club auch perfekt an. Wir machten uns bei ihr zuhause fertig.
„Du siehst zu brav aus“ , sagte sie.
„Ja, ich weiß. Aber ich hab keine Lust mit ihm wieder wegen meinem Outfit rum zu diskutieren.“
„Okay. Stell dich hin, ich mach ein Foto. Und dann ziehst du dieses Kleid hier an.“
Sie ging zum Schrank und holte ein eng anliegendes, schwarzes kurzes Kleid raus. Ich liebte dieses Kleid.
„Es werden Fotos von uns gemacht dort. Glaubst du nicht, der sieht das?“
„Du hast was drauf verschüttet und musstest dich kurz vorm fahren nochmal umziehen. Sollst du ihn auch über verschütteten Wodka informieren?„
Auch wieder wahr. Wir machten das Foto, ich schickte es ihm und zog mich um. Es war schön, sich mal wieder so sexy anzuziehen, ohne dass jemand direkt den Beschützer gespielt hat und alle böse anschaute, die es nur wagten, mich anzusehen.
Ich hatte wieder bessere Laune. Wir tranken gut vor und fuhren dann mit dem Bus in den Club.
Bis auf das regelmäßige Beantworten der Nachrichten, war es ein toller Abend. Wir hatten Spaß, waren gut betrunken und tanzten sogar auf dem Podest. (Ja, natürlich war dafür Tequila verantwortlich.)
An der einen Theke arbeitete ein alter Bekannter von uns. Sie zog mich dorthin. Sie wusste, dass er auf mich stand. Und sie wusste auch, dass unser Date ein halbes Jahr zuvor geplatzt war. Und sie wusste, dass ich das schade fand. Er freute sich mich zu sehen und mixte uns Spezial-Drinks. Wir plauderten ein wenig und ich merkte, wie er versuchte zu flirten.
„Du hast doch sicherlich gleich Pause, oder?“ fragte ihn meine Freundin.
Er lächelte mich an und sagte: „Ja.“
„Super. Wir warten hier!“
Ich warf ihr einen bösen Blick zu. „Was hast du denn vor?“
„Der steht immer noch total auf dich. Und erzähl mir nicht, du findest ihn nicht heiß…“
Doch klar fand ich das. Damals wie heute. Sie bestellte uns noch einen Tequila.
Mir war klar, was sie vor hatte, aber abgehalten habe ich sie auch nicht davon.
Er kam zu uns, setzte sich neben mich und wir unterhielten uns weiter. Intensiver. Er flirtete offensiver, berührte meinen Arm und kam näher. „Lasst uns ein Foto machen“ rief meine Freundin plötzlich. Der Hausfotograf kam gerade vorbei und Miss-Fotosüchtig musste das natürlich sofort ausnutzen.
Wir stellten uns nebeneinander, er natürlich direkt und sehr nah neben mich. Er legte den Arm um mich an meine Taille und streichelte sie ein wenig. Nach dem Foto behielt seine Hand da, zog mich an sich und wir schauten uns tief in die Augen. Unser ersten Kuss lag förmlich in der Luft, es knisterte.
„Ich kann nicht“ sagte ich dann leise.
„Du bist noch mit ihm zusammen, oder?“
„Ja.“
Etwas Traurigkeit lag in meiner Stimme.
Er schaute mich noch kurz an, lies mich dann los und sagte „Schade.“
Dann ging er wieder hinter seine Theke.
„Du hast ihm schon wieder das Herz gebrochen“ sagte meine Freundin.
„Was soll ich denn machen? Das Timing stimmt wohl einfach nicht…“
Ich schaute aufs Handy. 6 Nachrichten und 1 verpasster Anruf.
Story #3:
„Ich trau mich nicht….“
„Was soll denn passieren? Mehr als nein sagen kann er ja nicht“ Sie versuchte mich zu ermutigen. „Und er schaut doch auch ständig hier rüber.“
„Der meint am Ende doch eh dich…“
„Ach quatsch. Er schaut eher in deine Richtung.“
„Wir stehen direkt nebeneinander. Ich glaube kaum, dass du den Unterschied siehst, ob er dich anschaut, oder mich.“
Sie sagte nichts mehr.
„Er kommt rüber.“
Oh Gott! Mein Herz klopfte schneller, ich wurde ganz nervös. Ängstlich klammerte ich mich an meinen Wodka-Energy und nahm schnell noch einen Schluck. Er lächelte uns an. Und es sah ganz so aus, als wollte er zu mir…
„Hallo ihr zwei“ Sein Lächeln haute mich sofort um.
„Hi“ sagte meine Freundin direkt. Ich lächelte nur etwas verschüchtert.
Er sah mich an. „Ich weiß, das mag jetzt komisch klingen, aber … “ er druckste etwas verlegen rum. „Mein Kumpel da drüben findet dich ziemlich hübsch. Aber er ist etwas schüchtern. Deshalb dachte ich, ich geh einfach mal rüber und frag dich, ob du ihm vielleicht deine Nummer geben würdest.“
Oh. Wie ein Faustschlag ins Gesicht. Sein Kumpel. Deswegen starrte er die ganze Zeit hier rüber. Ich schaute meine Freundin etwas hilflos an.
„Ähm…also du fragst für deinen Kumpel?“
Jetzt musste er mich für bescheuert halten…
Er schaute mich etwas irritiert an.
„Ja. Ich habe leider schon eine Freundin. Aber er ist noch zu haben und er ist ein toller Typ. Glaub mir. Es lohnt sich ihn kennenzulernen.“
Ich zögerte.
„Na komm schon. Gib dir einen Ruck!“ Er lächelte so unfassbar charmant, dass ich gar nicht anders konnte.
„Okay. Gib mir dein Handy, ich speichere sie dir für ihn ein.“
„Klasse!“ Er gab mir sein Handy.
„Hier.“
„Danke. Ich werd sie ihm weitergeben.“
„Wenn nicht, dann ist das auch okay.“ sagte ich mit einem kecken Lächeln im Gesicht.
Er lächelte zurück, verabschiedete sich und ging wieder zurück zu seiner Gruppe.
„Eigentlich ist der Kumpel ja nicht so dein Typ dachte ich„. Meine Freundin holte mich aus meinen Gedanken.
„Nö, ist er auch nicht. Aber ich habe ja nicht IHM meine Nummer gegeben.“
„Verstehe. Aber dass er eine Freundin hat, hast du schon gehört, oder?“
„Ja, und? Wie war das denn bei dir, hm? Du warst auch in festen Händen als dein Göttergatte dich in der Bar kennengelernt hat. Und jetzt seid ihr 2 Jahre zusammen. Wenn die zuhause am rumnörgeln ist, er sich unverstanden und ungeliebt fühlt, dann hat er meine Nummer in seinem Handy. Und wer weiß, vielleicht …. “ sie unterbrach mich.
„Jajaja, ist ja schon gut. Ich weiß, wie das läuft. Wäre ich an dem Abend einfach mit dir ins Kino gegangen, statt mit meiner Single-Freundin feiern, wäre das sicher nicht passiert. Aber hey – jetzt bin ich glücklich.“
„Ja, aber diesmal bin ich die Single-Freundin. Und hey, da wartet der nächste Kerl drauf dich anzugraben. Das wäre dann Nummer 5 am heutigen Abend.„
Und tatsächlich. Wieder kam einer an und versuchte sein Glück bei meiner Freundin. Und er sah echt gut aus. Sie ließ sich zu einem kleinen Flirt hinreißen. Ich denke ihr tat es gut, wieder begehrt zu werden. Dieses Adrenalin, die Schmetterlinge, der Nervenkitzel. Und wer weiß, vielleicht ist das ja ihr nächster Freund geworden.
Story #1 zeigt deutlich, dass man durch Single-Freunde in ganz neue und andere Situationen kommt. Sie hat die Situation ausgenutzt, dass sie ohne schlechtes Gewissen nach Männern Ausschau halten und sogar ansprechen konnte. Denn es war ja nicht für sie.
Story #2 wäre nie passiert, wenn diese Freundin nicht Single gewesen wäre.
Und Story #3 – aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es viele Frauen absolut null interessiert, ob ein Mann vergeben ist, oder nicht. Hätte er ihr nicht gefallen, hätte sie ihm nicht ihre Nummer gegeben. Unabhängig von dem Kumpel. Und auch umgekehrt – es reizt viele Männer, es bei einer vergebenen Frau zu versuchen. Why Not? Selbstwertpush wenns klappt.
Moralisch verwerflich. Aber habe ich selbst oft genug erlebt.
Kommentar: Ich persönlich – und ich spreche hier nur für mich – finde, dass es schon eine gewisse Problematik enthält, wenn die meisten Freunde Single sind, man selbst aber in einer Beziehung ist. Das fängt schon beim Verständnis in der Verliebtheitsphase an und geht übers Feiern zum Frauen/Männer ansprechen, bis hin zum gemeinsamem Tinder-Switchen, sexy Bilder der potenziellen Dates verschicken und phänomenalen Dating-/Sex-Stories.
Klar gibt es hier auch die andere Seite: Misslungene Dates, Liebeskummer, enttäuschende One-Night-Stands, Lügen, Ghosting. Hier ist man dann doch froh, eine stabile Beziehung zu führen. Dennoch lassen auch solche Stories einen grübeln: Wenn das Date meiner Freundin sich wochenlang mit ihr trifft, ihr ständig schreibt, obwohl er heimlich eine Freundin hat – kann mein Freund das dann nicht auch?
Ohne Frage ist es einfacher, wenn die engsten Freunde selbst eine Beziehung haben. Ähnliche Probleme, ähnliche Ängste, ähnliche Treff-Vorstellungen (Kaffee trinken, statt Club), ähnliche Gesprächsthemen, Verständnis dafür, dass man den Abend und/oder das Wochenende mit dem Partner verbringen will.
Die Single-Freundin in Story #2 oder der Single-Kumpel in Story #3 setzen einen selbst und die Beziehung sicherlich vor größere Herausforderungen, als die Single-Freundin in Story #1.
Aber ob Single-Freunde im Endeffekt die Beziehung angreifen, liegt doch an der Person selbst. Sollte dadurch das Bedürfnis entstehen, selbst mehr Freiheit haben zu wollen, mit anderen exzessiv zu flirten oder selbst tolle ONS-Stories erzählen zu wollen, dann stimmt etwas in der Beziehung nicht, unabhängig davon, ob eine Single-Person dieses Bedürfnis nun schürt oder nicht.
Ich denke das Risiko erhöht sich dadurch. Die Herausforderung wird größer. Wie am Ende damit umgegangen wird, hängt von der Kommunikation innerhalb der Beziehung ab, von dem Beziehungsmodell, der Toleranzschwelle beider Personen, dem Rückgrat gegenüber den Single-Freunden, den eigenen Prioritäten und in allererster Linie von einem selbst.
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